Prof. Matthias Spörrles Vortrag „Unconscious Bias — Was ist es und gibt es Chancen auf Heilung?“ am 16. Mai 2018 im Spiegelsaal des Museums für Kunst und Gewerbe war ein voller Erfolg – und das in mehrfacher Hinsicht!
Unbewusste Vorurteile prägen das Denken und Handeln von Menschen seit jeher, so Prof. Spörrle. Er bezeichnet sie als Denkabkürzungen, die von Menschen gewählt werden, um effizient zu Entscheidungen zu gelangen. Diese Abkürzungen basieren in starker Weise auf kulturellen Assoziationserfahrungen. Prof. Spörrle verdeutlichte am Beispiel der Auswahl von Bewerber*innen, dass die gesammelten Informationen, die zur Entscheidungsfindung führen, keinesfalls immer oder überwiegend auf objektiven oder vorurteilsfreien Kriterien beruhen. Betritt eine Person den Raum, die bei der für die Personalentscheidung verantwortlichen Person die spontane Assoziation „unsympathisch“ auslöst – weil sie beispielsweise an jemanden aus Kindertagen erinnert, nämlich an jenes Kind, „das einen im Kindergarten Sand essen ließ“, so der Referent – wird sie dieser Person eher solche Fragen stellen, die diese nicht beantworten kann bzw. bei denen sie ins Straucheln kommt. Anders herum gilt: Bei Menschen, die die Assoziation „mag ich“ hervorrufen, wird häufiger bei Fragen verweilt, die das Gegenüber beantworten können. Ein scheinbar objektives Verfahren wie ein Personalgespräch wird so schnell von Vorurteilen überformt. Ein hoch standardisiertes Personalgespräch kann hier eine Verbesserung darstellen.
Menschen präferieren Denkabkürzungen. So zum Beispiel die Präferenz nach Ähnlichkeiten. Dadurch wird anschaulich, warum im Top-Management oder in den Vorständen Männer gerne unter sich bleiben: Die Führungsgruppe wird nach Ähnlichkeiten ausgewählt und zusammengesetzt. Bei diesen Prozessen spielen neben der Ähnlichkeitspräferenz auch Stereotype, im Sinne einer unbewussten Information zwecks Denkabkürzung zur Entscheidungsfindung, eine zentrale Rolle. „Führungskraft = groß“ zählt zu einem solchen unbewussten Vorurteil, wie Prof. Spörrle an verschiedenen Beispielen verdeutlichte.
Anhand sogenannter „kognitiver Karten“ veranschaulichte der Referent sehr eindrucksvoll, dass die Vorstellung über eine „typische Frau“ auf einer Landkarte weit entfernt von dem liegt, was mit einer „Karriere-Frau“ assoziiert wird. Bei Männern hingegen liegen die Vorstellungen von einem „typischen Mann“ und dem Typus „Karriere-Mann“ sehr nahe beieinander. D. h. Frauen haben es allein aufgrund der unbewussten Vorurteile wesentlich schwerer in einer Führungsposition anerkannt zu werden.
Anhand zahlreicher weiterer, mit Humor vorgetragener Beispiele, machte Prof. Spörrle deutlich, wie Alter, Geschlecht, Ethnie, Körpergröße etc. zwar eine schnelle Entscheidungsfindung ermöglichen – und damit auch entlastend wirken – aber gleichzeitig suboptimal sind, weil beispielsweise Vielfalt in Unternehmen nicht umgesetzt wird.
Welche Chancen auf Heilung sich aus dieser Gemengelage ergeben, damit schloss der Referent seinen hochinformativen und gleichsam sehr unterhaltsamen Vortrag ab. Klare Strukturvorgaben (wie z. B. Quoten), die Verantwortung durch und für Systemgestaltung sowie Bewusstwerdung über die Funktion und das Wissen über Stereotype, zählen zu den zentralen Ansatzpunkten.
Die anschließende Diskussion mit den Gästen im voll besetzten Saal war hoch interessant und der Referent Prof. Spörrle inhaltlich und rhetorisch brillant – eine Inspiration pur!
Eine tolle und auf ganzer Linie gelungene Veranstaltung, für die wir uns bei dem Referenten, den Gästen und allen Mitwirkenden herzlich bedanken!
Matthias Spörrle ist Professor im Fachbereich Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management, Fellow Professor am Lehrstuhl für Strategie und Organisation der TU München und Full Professor für Wirtschaftspsychologie an der Privatuniversität Schloss Seeburg. In seiner Forschung, die er in über 200 Veröffentlichungen dokumentiert hat, beschäftigt er sich insbesondere mit dem systematischen Einfluss von peripheren (und damit entscheidungsirrelevanten) Informationen auf wirtschaftsrelevante Entscheidungsprozesse.